Qualitätsmanagement – wo liegt der Nutzen für die Patienten?
Das MP Expertengespräch mit Erika Ziltener, Präsidentin Schweizerische Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen.
Frau Ziltener, aktuell werden die Qualitätsverträge, ein zentrales Element der bundesrätlichen Qualitätsstrategie, verhandelt, doch die Finanzierung der Umsetzung ist nicht gewährleistet. Was läuft hier falsch? Ich finde nicht, dass es falsch läuft. Die Finanzierung der Qualitätsverträge ist differenziert und fördert die Gerechtigkeit. Wer die gesetzlich vorgegebene Qualität umsetzt, hat keine Mehrkosten. In Institutionen, in welchen die Massnahmen aus den Qualitätsverträgen nur teilweise oder gar nicht umsetzt werden, entstehen Kosten.
Die Kosten sind die eine Seite, die andere Seite sind die Einsparungen. Qualität erspart den Patientinnen und deren Angehörigen Leid. Geld lässt sich auch mit Verhinderung von Qualitätsmängel und Fehlern sparen. Die Gesetzesrevision von Artikel 58, KVG sorgt mit den Qualitätsverträgen und Finanzhilfen für eine wohl nie dagewesene Dynamik in den Qualitätsverbesserungsprozessen.
Jetzt werden die Fachpersonen, die sich für die Qualität der Gesundheitsversorgung einsetzen, gestützt und gefördert, die anderen werden in die Pflicht genommen. Das ist gut so. Natürlich muss der Qualitätsprozess und dessen Finanzierung laufend überprüft und nötigenfalls nachgebessert werden.
Welche Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht nötig, damit der Fokus des Qualitätsmanagements umfassend beim Patienten liegt? Die Themenbereiche und die entsprechenden Qualitätsverbesserungsmassnahmen (QVM) umfassen die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Mit den Anerkennungsanträgen können Lücken in der Qualität und Sicherheitsrisiken identifiziert und geschlossen werden. Weil die QVM verbindlich und im jeweiligen Qualitätskonzept und Qualitätsmanagementsystem integriert sind, liegt der Fokus umfassend bei den Patientinnen und Patienten. Der revidierte Gesetzesartikel legt den Fokus auf die Qualität, sämtliche Leistungserbringerinnen und Erbringer setzten sich mit dem Themen Qualität und Verbesserungsmassnahmen auseinander.
Welche Rolle übernimmt dabei die Schweizerische Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen (sQmh)? Die sQmh sieht ihre Rolle in der Unterstützung von Fachpersonen wie Institutionen in der Umsetzung der Qualitätsverträge und der Qualitätsverbesserungsmassnahmen. Dazu gehört tragfähige Vernetzung, Beitrag zur Transparenz bei den Qualitätsverträgen, Anerkennungsanträge für QVM, Bereitstellen von Unterlagen für die Umsetzung von QVM.
Schliesslich bietet die sQmh den Mitgliedern, die verschiedenen Prozesse sei dies bei den QVs wie bei den QVM mitzuwirken und den Gestaltungsspielraum zu beanspruchen und vertritt diese nach aussen. Die sQmh trägt aktiv dazu bei, dass die Informationen zu den verschiedenen Aktivitäten allen Mitgliedern zugänglich werden. Dazu gehört auch das Engagement für eine «Qualitätskultur» im Umgang miteinander.
Wo sehen Sie die wesentlichen Potentiale für die Zukunft des Schweizer Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen?
Das grösste Potential orte ich in der Sicherheitskultur. Wenn wir in diese etwa gemäss Definition der WHO investieren, sämtliche Fachpersonen, Institutionen und Bereiche einschliessen, umsetzen und leben, nutzen wir das Potenzial. Seit Jahren ist bekannt: Es passieren sehr viele vermeidbare Behandlungsfehler, solche ohne grosse Auswirkungen bis hin zu Todesfolge. Laut Statistiken sterben 2000 bis 3000 Personen wegen Behandlungsfehler. Mit diesen Zahlen haben wir es wahrscheinlich mit einer Dunkelziffer zu tun. Die sQmh geht davon aus, dass das Gesundheitspersonal sorgfältig und qualitativ hochstehend arbeiten will. Nicht nur weil Patientinnen und Patienten, sondern weil auch das Personal von Schaden bewahrt wird.
Zum weiter lesen und hören:
Ziltener Erika, Podcast: Gemeinsam Wissen in der Praxis umsetzen, Pflegenetz (HsG), Wien 2021. https://www.pflegenetz.at/pflegecast/gemeinsam-wissen-in-der-praxis-umsetzen-erika-ziltener/
Ziltener Erika, «Die Wucht der Diagnose» aus dem Alltag der Patientenstelle, (HG) Ziltener Erika, Spöndlin Ruedi, Zürich 2015
Ziltener Erika, „Die medizinische Indikation und die rechtsgültige Einwilligung als Behandlungslegitimation“, in: Immer mehr – immer besser. Kessler et al. (HsG) 2019. S. 95ff
Erika Ziltener, Historikerin und Pflegefachfrau, ist Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen. Als Präsidentin des Dachverbandes der schweizerischen Patientenstellen hat sie sich jahrelang für die Anliegen von Patientinnen und Patienten eingesetzt. Als ehemalige Züricher Kantonsrätin hat sie sich insbesondere für das Gesundheitspersonal eingesetzt. Den Transfer von der Theorie in die Praxis fördert sie als Lehrbeauftragte in verschiedenen Gesundheit- und Krankenpflegeschulen.