Ernst nehmen, beteiligen und befähigen
Das MP Expertengespräch mit Rebekka Hansmann, Geschäftsführerin der Spitex Region Brugg AG, die als nicht gewinnorientierte Aktiengesellschaft geführt wird. 135 Mitarbeitende pflegen heute Klienten aus 19 Gemeinden in der Region Brugg.
Frau Hansmann, in der Spitex werden die Dienstleistungen meist dezentral, in der privaten Umgebung der Klienten erbracht. Die Mitarbeitenden müssen sich ‘vor Ort’ selbst organisieren und häufig autonom Entscheidungen im Interesse der Klienten, wie auch der Organisation treffen. Was bedeutet dies für die Führung? Dieses Setting bedingt primär ein grosses Vertrauen in die Mitarbeitenden, aber auch eine gute Aus- und Weiterbildung der Pflegenden. Sie müssen das nötige Wissen und die Erfahrung haben, um vor Ort richtig und sicher entscheiden zu können. Dazu gehören auch der Zugriff auf alle wichtigen Informationen via Tablet sowie Gefässe, in denen besondere Situationen mit einer Fachperson reflektiert und gemeinsam Lösungen diskutiert werden können.
Die Spitex der Region Brugg wurde im 2017 von ihren Mitarbeitenden beim Arbeitgeber Award zum zweitbesten Arbeitgeber in der Kategorie Organisationen bis 100 Mitarbeitende gekürt. Im 2020 nimmt die Organisation wieder an der Befragung teil und erhofft sich eine gute Platzierung. Worauf begründet sich dieser Erfolg? Unsere Mitarbeitenden haben uns insbesondere in den Bereichen Führung, Mitarbeiterförderung, Strukturen und Abläufe sowie Zusammenarbeit im Team sehr gute Noten erteilt. Auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit wurde hoch bewertet. Insgesamt ist der zweite Platz das Resultat von verschiedenen Faktoren. Entscheidend sind meiner Meinung nach Klarheit in der Führung, eine wertschätzende Grundhaltung und Vertrauen in die Mitarbeitenden. Dies geht einher mit ernst nehmen, beteiligen und befähigen. Förderlich für eine gute Betriebskultur ist auch eine gewisse Leichtigkeit: Sich und die Alltagssorgen nicht zu ernst nehmen und ab und zu zusammen Lachen sind wichtig.
Unternehmen, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden, müssen Transparenz herstellen, wie die anvertrauten Ressourcen eingesetzt werden. Die Spitex Region Brugg nutzt seit 2019 dazu das EFQM Modell. Wie sehen Ihre ersten Erfahrungen damit aus? Wir stehen noch am Anfang von EFQM, gleichwohl hat die Auseinandersetzungen mit dem Modell bereits Auswirkungen. Wir setzen unsere Ziele bewusster, evaluieren fundierter und leiten entsprechende Massnahmen ab. Auf die kürzliche Frage eines Gemeinderates warum wir mit dem EFQM Modell arbeiten, habe ich mit Überzeugung geantwortet: «Weil es uns zwingt, unser Tun und Handeln laufend zu reflektieren und uns so zu verbessern.» Das ist zwar manchmal mühsam und anstrengend, aber es lohnt sich. EFQM ist für mich mehr als ein Modell, es ist eine Haltung.
Frau Hansmann, was ist Ihr ganz persönlicher Tipp an die Führung, damit sich die gemeinnützige Spitex in der Schweiz weiter positiv entwickeln kann? Die Mitarbeitenden sind unser höchstes Gut. Das sind bei der Spitex keine leeren Worte, denn die Personalkosten machen zwischen 85 – 89% der Gesamtkosten aus. Den Mitarbeitenden Sorge tragen, damit wir auch in Zukunft unseren Auftrag mit gut ausgebildetem Personal erfüllen können. Auch sehr wichtig ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen Leistungserbringern im Sinne der integrierten Versorgung sowie ein guter Kontakt zu Versicherern und der öffentliche Hand (Kanton/Gemeinden). Die Diskussionen rund um die Rolle der Spitex und ihre Kosten müssen wir sachlich und auf Augenhöhe führen. Nur so gelingt es, die NPO-Spitex als das zu positionieren, was sie ist: ein wichtiges Glied in der Kette der Gesundheitsversorgung.
Rebekka Hansmann ist 55-jährig und seit 35 Jahren im Gesundheitswesen tätig. Nach einer KV- und einer Pflegeausbildung hatte sie verschiedene Führungsfunktionen im Spital inne, bevor sie die Organisation der Arbeitswelt Gesundheit und Soziales Kanton Aargau aufbaute. 2012 leitete sie den Zusammenschluss von vier Spitexvereinen in die Spitex Region Brugg AG und integrierte 2016 und 2019 je eine weitere Spitexorganisation. Ab Mitte 2020 übernimmt sie die Direktion Chüra im Gesundheitszentrum Unterengadin. Rebekka Hansmann hat einen MAS in Health Administration der Uni Bern sowie ein CAS in Gerontologie. Privat ist sie mit ihrer Familie gerne in der Natur unterwegs, auf Rädern, Skiern oder zu Fuss.