Befähigen durch Vertrauen – ein Praxisbericht zum Aufbau eines integralen selbstorganisierten Teams
Von Julia Khatri, Pflegeexpertin am Spital Männedorf ZH
Am Anfang stand die Frage: Gelingt es uns, mittels einer sinnstiftenden Form der Zusammenarbeit, den Wechsel von einer aufgabenbezogenen zu einer ganzheitlichen Patientenbetreuung zu vollziehen? Ein weiteres Anliegen war, den Pflegeberuf im Kontext vom Spital organisatorisch-strukturell weiterzuentwickeln, um für zukünftige Herausforderungen gewappnet zu sein. Damit wir zuverlässige Antworten generieren konnten, war es uns wichtig, eine Ausgangsbasis mit wissenschaftlich hinterlegten Definitionen zu schaffen. Das gewählte Modell nach Laloux (1) basiert auf den drei Pfeilern „Ganzheit“, „Selbstorganisation“ und „evolutionärer Sinn“. Zum Pfeiler „Ganzheit“ gehörte beispielsweise die Definition der psychologischen Sicherheit (2), die den Teammitgliedern ermöglicht, sich gegenseitig ganzheitlich wahrzunehmen. Dadurch entsteht eine inspirierende und vertrauensvolle Atmosphäre, in der es Spass macht zu arbeiten und konstruktive Feedbacks willkommen sind. Auf dieser Grundlage können sich die Teammitglieder professionell und teamorientiert weiterentwickeln. Der Pfeiler „Selbstorganisation“ beinhaltet die Befähigung zur Zusammenarbeit, dadurch lernt das Team sich an selbst definierten Veränderungen und nicht an den Vorgaben des Managements zu orientieren. Der Pfeiler „evolutionärer Sinn“, steht im Modell Laloux für eine Arbeit, die nicht primär an Vorgaben orientiert, sondern auf die „Sinnhaftigkeit“ ausgerichtet ist. Dazu wurde die teambasierende Entscheidungsfindung nach Konset (3) etabliert. Entsprechend werden Entscheidungen nach dem geringsten Widerstand getroffen, sie beruhen nicht auf einem Konsens, der häufig zu viele Kompromisse beinhaltet. Im Projektteam wurde beispielsweise das Thema Gleitzeit reflektiert und entschieden, dass das Pflegeteam am Wochenende untereinander definiert, wer wann am Sonntagmorgen zum Dienst erscheint.
Die deutliche Zunahme der positiven Patienten-Feedbacks während der Projektdauer erlaubt es uns, die Eingangs gestellte Frage zu bejahen. Das Pflegeteam der Frauenklinik konnte die ganzheitliche Unterstützung der Patientinnen intensivieren. Sehr motivierend waren auch die Messergebnisse der Teamaktivitäten, siehe Grafik.
Während im Pflegeteam die notwendigen Veränderungen mehrheitlich komplikationslos erfolgen, bedeutete die Ausrichtung auf die Selbstorganisation eine grosse Herausforderung für die etablierten Führungskräfte. Die Implementierung der zentralen Werte der Selbstorganisation, befähigen, begleiten und vertrauen, erfordert eine Abkehr vom traditionellen Führungsverständnis. Eine tolle Erfahrung war, dass die Stationsleitung des Projektteams, alle Veränderungen aktiv unterstützt und auf diese Weise massgeblich zum Erfolg beiträgt.
Auf Grund des Erfolges planen wir das Konzept von „integralen selbstorganisiertem Teams“ (IST) auf weiteren Stationen zu etablieren. Dabei ist uns sehr wichtig, dass diese Transformation auf nachhaltige Weise erfolgt. Dazu gehört die Erkenntnis, dass wir nicht Aufgaben anders verteilen wollen, sondern interessierten Teams die Möglichkeit bieten, sich im Kollektiv professionell weiterzuentwickeln. Wir sind überzeugt, dass es uns auf diese Weise gelingt, ein Umfeld zu schaffen, wo Pflegende gerne ihren Beruf ausüben, bereit sind ihre Profession weiter zu entwickeln und die Verantwortung für ihre Berufszufriedenheit selbst übernehmen wollen.
Sie möchten gerne weitere Informationen
zu diesem spannenden Projekt?
Frau Julia Khatri; Pflegeexpertin im Spital Männedorf, RN, Intensive Care Nurse, BScN, MSc Advancing Healthcare Practice; gibt Ihnen gerne Auskunft.
Sie erreichen Sie per Mail: j.khatri@spitalmaennedorf.ch
(1) Laloux F (2015) Reinventing Organization, Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, Verlag Franz Vahlen, München.
(2) Edmondson A (1999) ‘Psychological safety and learning behaviour in work teams’. Administrative Science Quarterly, vol. 44, no. 2, pp. 350-383.
(3) Konset, Schallhart A. (2017) Soziokratie und der Paradigmenwechsel in der Internen Kommunikation. In: Wagner R., Roschker N., Moutchnik A. (eds) CSR und Interne Kommunikation. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg