Bottom-up-Medizin: Der Patient hat jetzt Zeit für Sie!
Patienten können künftig mittels Smartphone ihre Gesundheitsversorgung steuern, den Fluss ihrer medizinischen Daten überwachen und an Forschungsvorhaben teilnehmen. Die Applikation ‘Health Research Kit’ von Apple ermöglicht Probanden bequem, von zu Hause aus an medizinischen Studien teilzunehmen. Bei der Universität Stanford meldeten sich in den ersten 24 Stunden über 11’000 iPhone-Nutzer für die Teilnahme an einer Herz-Kreislauf Studie an. Die Gewinnung einer solchen Probandenzahl hätte auf die traditionelle Weise mehrere Monate in Anspruch genommen. Die medizinische Revolution werde vom Smartphone eingeleitet, sagt Eric Topol, der Direktor des renommierten Scripps-Forschungsinstituts in Kalifornien. In seinem Bestseller ‘The Patient Will See You Now’ – ‘Der Patient hat jetzt Zeit für Sie’ formuliert er seine Vision einer Bottom-up-Medizin: Ärzte dienen als Partner, das Kommando übernehmen aber die digital aufgerüsteten Patienten.
Welche Entwicklungen sind dazu in der Schweiz zu beobachten? Die Swica hat kürzlich eine Smartphone App auf den Markt gebracht. Bei medizinischen Problemen erhalten die Nutzer mittels eines Symptom-Checks eine Empfehlung für ein geeignetes Vorgehen. Leidet jemand beispielsweise unter Bauchschmerzen, wird das Problem anhand von Fragen eingegrenzt und via App eine Empfehlung für den Behandlungsweg sowie den geeigneten Ansprechpartner abgegeben. Noch einen Schritt weiter geht der Telemedizin-Anbieter Medi24 zusammen mit dem Berner Start-up eedoctors. Angeboten werden medizinische Videokonsultationen, dabei können Kunden per Video-Verbindung über die Smartphone-App Kontakt mit Allgemein- und Notfallmedizinern aufnehmen.
Mithilfe der digitalen Kanäle kann der Service für die Patienten verbessert werden. Sie sollen aber auch dazu dienen, unnötige Leistungen, wie beispielsweise der vorschnelle Besuch einer Notfallstation zu verhindern und damit einen Beitrag zur Reduktion der Gesundheitskosten zu leisten.
Welche flankierenden Massnahmen sind hinsichtlich Patientensicherheit und Datenschutz notwendig? Bei der App von Swica handelt es sich um ein Medizinalprodukt, entsprechend wurde das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic in das Verfahren involviert. Die Versicherung musste nachweisen, dass die App den versprochenen medizinischen Nutzen tatsächlich bringt und die angegebenen Leistungsmerkmale erfüllt. Da Swica die Daten verschlüsselt in einem Dossier speichert und dieses nur von der versicherten Person eingesehen werden können, meldete auch der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte keine Bedenken. Die Markteinführung der beiden Produkte ist ein Hinweis dafür, dass die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen Fahrt aufnimmt. Es wird auch deutlich, dass die Konsumenten hinsichtlich Datenschutz eine klare Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen. Bei digitalen Angeboten mit einen wahrnehmbaren Nutzen, sind die User bereit ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Dabei ist entscheidend, dass nachvollziehbar bleibt, welche Daten, zu welchen Konditionen gesammelt werden.
Die digital aufgerüsteten Patienten übernehmen noch nicht so bald das Kommando, wie in der Vision von Eric Topol, doch als Partner auf Augenhöhe wollen sie bereits heute wahrgenommen werden.
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